Geständnisse

TL;DR

Ein Doppeltitel den man sich nicht merken können soll. Eine eigentümliche Verpackung um das Grausamste als Protokoll. Hier wird kein Marktwert generiert. Diese Ausgabe ist eine wirklich exotische Pflanze im Regal. Eine Kuriosität des Schreckens. Sowas gibt es nicht auf Amazon (ah doch, gebraucht).

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QualitätGestaltungPreis/LeistungEinzigartigkeitDanke für die Unterstützung!

Die Soldaten-Protokolle waren der letzte Hit des letzten Weltkriegs. Natürlich verpflichteten sich alle zu nüchternen Hardcover Bänden und blickten abschätzig auf die Taschenbuchausgaben mit ihren eindringlichen Titelfotos. Nachdem das alles gelesen worden ist, machen sich manche auf um solchen fürchterlichen Quellen die rechte Verpackung zu verpassen. Mir ist das eine wahre Freude, denn wer sammelt Bücher schon des Inhalts wegen.

An dieser Stelle lohnt es sich einmal über solche eigenartige Verpackungen nachzudenken. Zuerst einmal sei beschrieben wie die beiden Texte gefasst sind. Ich verliere über den Inhalt weiter keine Worte, weil das der Verlag bereits viel besser noch erledigt hat, als ich das kann. Vielleicht schaut man sich zuerst die Fotos an. Dann bemerkt man diesen recht authentischen PappAktenSchuber russisch amtlicher Fabrikation, der die zwei Bände umfasst und mit einem Gummiband gehalten wird. Vielleicht genauso, wie dazumal tausende Akten und Mitschriften gefasst  worden sind, gefüllt mit den abgetippten Geständnissen der kriegsgefangenen Wehrmacht. Mögliche wäre das. Was wiederum bedeutet, dass wir es hier nicht einfach mit einer irgendwie eigentümlichen Verpackung zu tun haben. Irgendwie eigentümlich wäre, die Geständnisse von Massenerschießungen in die Form einer Geburtstagstorte zu pressen, wie das manchem Backbuch widerfahren ist. Hier im Gegenteil steigert das Äußere die Immersion ins Innere der Protokolle. Das ist immer noch selten, bedauerlicherweise. Ein gutes Beispiel wäre die Ausgabe der unendlichen Geschichte als der alte Ledereinband bestückt mit einem Aurin, von dem sie erzählt. Sie bemerken vielleicht welche Schleifen das zieht. Und ja, diese Ausgabe gibt es nicht. Soviel Schönheit und Fantasie wäre ja albern, wie sind doch erwachsen. Und man könnte fragen, ob es angebracht ist, sich wie ein sowjetischer Politoffizier zu fühlen, der die Landserwahrheiten irgendwie authentisch in den Händen hält. Ich persönlich antworte mit: ja natürlich, denn Kunst ist auch, was gefällt.

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt, dass die äußere Erscheinung im Regal nicht zu glänzen vermag, denn der Rücken des Schubers ist offen und zeigt unaufgeregt lediglich die zwei weißen schmalen Bände ohne viel Schmuck. Jetzt kann man die Massenerschießungen an der Russlandfront aber auch nicht als Coffeetablebook herumliegen lassen. Wer weiß welches Eis das brechen würde.

Ganz im Sinne des Mäzenatentums kann man sich dieses Schmuckstück direkt beim Verlag bestellen [Link]. Trauen Sie sich ruhig. Dieses Werk hat es auf die Preisliste der schönsten Bücher der Welt geschafft, zu Recht, wie ich finde.

Bibliographische Angaben:

Hannes Heer (Hg.)
»Stets zu erschießen sind Frauen, die in der Roten Armee dienen«
Geständnisse deutscher Kriegsgefangener über ihren Einsatz an der Ostfront

Gaston Isoz (Hg.)
»Na, was glaubst du denn, wohin wir marschieren?«
Die Aufzeichnungen meines Großvaters, Wehrmachtssoldat im Krieg gegen die Sowjetunion – ein fotografischer Essay von Jakob Gleisberg

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