Manon Lescaut

Kommen wir zum ersten Roman auf unserem Blog. Eine alte Geschichte aus der Frühzeit der Romane. Vielleicht wundern sich jetzt einige über den fehlenden Umfang (ca. 200 Seiten). Waren Romane nicht vor allem diese unsäglich dicken Bücher, die so mancher in seiner Neugier förmlich verschlingt? Diese Frage muss man mit Jein beantworten. In der Tat wurde mir einmal beigebracht, dass der Umfang dieser Gattung sehr wohl charakteristisch ist. Kurz, ein Roman kann ausufern; ihm sind bis dato eben keine Grenzen gesetzt. Und oft nehmen solche Roman-Schwarten dieses Open End auch noch allzu wörtlich. Zum Glück kann man dann zu den weiteren 163 dicken Fortsetzungsbänden des Autors greifen.

Auch diese Fortsetzungen gab es früher schon. Der hier vorliegende Band ist der eigentlich siebte und letzte Band der Erzählungen eines Edelmanns im Ruhestand. Da er aber so locker an die anderen gehängt wurde gilt er heute als eigenständiges Werk. Und was für eins. Etliche Opern, Verfilmungen und wer weiß wie viel Ausgaben halten den Stoff am Leben. Ich selber habe ein gewisses Interesse an alten Liebesgeschichten. Als DCTP TV Fanboy lauschte ich Frau Sprenger im Interview mit Herrn Kluge. In diesem kleinen Roman also findet sich sowas wie die frühste Erzählung von Liebe auf dem ersten Blick. Zumindest habe ich das so herausgehört. Genau erinnern kann ich mich beim Tippen dieser Zeilen nicht mehr. Die Franzosen nennen diese plötzliche Liebe einen Blitz, den „coup de foudre“, der den Unverhofften zum Liebenden macht. Man wird getroffen und ist ein anderer. Inwieweit das einer Kultur des Anmachens entgegensteht kann man sich denken. Damals war man geerdet, aber auch schutzlos ausgeliefert. Und so ein Schicksal eben romantisch, was Tatsache dem „romanhaften“ abgeleitet ist, nur um diese wilden Kreise hier mal wieder zu schließen.

Am Anfang dieses Eintrages hatte ich von der Handlichkeit dieser Geschichte geschwärmt. Das muss ich jetzt einschränken. Diese Ausgabe ist so verletzlich wie die Herzen ihrer Hauptfiguren. Sie steckt zum Glück in einem recht hellbraunen, jedoch fein bedruckten Schuber. Diese schönen Illustrationen setzen sich fort durch das ganze Buch. Wer Wilhelm Busch dazu bekommen hat sie anzufertigen, entzieht leider meiner Kenntnis. Unglücklicherweise spoilern sie. Was das bedeutet habe ich bereits in meinem Beitrag über die Jules Verne Ausgabe geschrieben. Dennoch empfinde ich Illustrationen immer noch als absoluten Wertzuwachs eines Buches. Sie steigern ganz einfach das sinnliche Erleben eines Mediums. Ich möchte jetzt nicht unbedingt darauf hinaus einigen Büchern per gedruckten QR-Code noch einen Soundtrack zu verpassen. Aber ich bin doch einer, der offen ist für neue Wege eines alten Mediums. Gerade klassische Stoffe könnten darin eine zeitgemäße Aufwertung erfahren.

Und schon wieder bin ich vom Wege abgekommen. Also: dieses Buch ist nicht handlich. Aus mehreren Gründen. Zuallererst weil man es nicht in die Hand nehmen möchte. Runzeln Sie nicht die Stirn: Ich spreche von seiner Oberfläche. Ihr zartes Hellblau und ihre gleichmäßige weiche, fast fransige Struktur ist zwar schwer zu beschreiben, aber lässt mich definitiv meine Hände waschen bevor ich den Band in die Selbigen nehme. Im Ganzen macht der Einband den Eindruck jeglichen Schmutz der Finger aufzunehmen und auf immer an seiner verletzlichen Schönheit zu verlieren. Das ist einfach unpraktisch. Wenn man dieses Buch jemandem reicht, passiert Folgendes. Man ist noch mitten im Monolog über das Glück eine solch wunderbare Ausgabe zu besitzen. Dann will man das Buch den Händen des anderen überlassen, damit er andächtig darauf neidisch ist. Kurz bevor das passiert fällt einem ein, dass man die angebrachte Sauberkeit seiner oder ja auch ihrer Hände bezweifelt. Und dann zögert man. Merklich. Das Unglück ist geschehen. Man will sich in diesem Moment nicht erklären. Man möchte doch mitnichten wie so ein kleinkarierter Sammler erscheinen, der alles noch verpackt lässt; die Krämerseele die den Wertverlust fürchtet, die Abstiegsangst des Einsamen.

Kurz, dieser Band ist dem Schmutz ausgeliefert. Er eignet sich nicht dazu, sich in die Hand nehmen zu lassen. Darüber hinaus ist von einer Größer, die zweier Hände bedarf, damit er nicht noch runter fällt. Am Ende liegt er nicht einmal irgendwo herum. Man hat Angst den Buchrücken entlang zu fahren, um den sorgsam darauf verklebten Buchtitel nicht zu gefährden. Was für ein unpraktisches rohes Ei von einem Buch, fragt sich der Blogger und fängt gleich darauf still zu nicken an. Denn er würde es nicht anders produzieren. Es gilt Schönheit zu bewahren. Was schert mich die Vernunft.

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QualitätGestaltungPreis/LeistungEinzigartigkeitDanke für die Unterstützung!

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