Osiris fährt mit seinem Schiff durch Nacht und bringt dann die Sonne wieder mit, oder so ähnlich, der ägyptische Mythos. Typisch egozentrische Geschichte. Man denkt die Welt, in dem Falle der Weltraum, dreht sich um einen selbst. Stimmt aber gar nicht, denn man ist der einzige der wirklich trudelt. Die anderen stehen still. Wenn man sich mit den Nachbarn darüber einig ist, können daraus ganze Kulturräume geschaffen werden, immer um uns als das Maß aller Dinge. Humanistisch geradezu. Was hat das Geschwurbel mit der Romantik zu tun? Ich muss gestehen ich bin vom Wege abgekommen. Ach ja, diese schauerliche Romantik und ihre dunkle Seite, man könnte auch sagen die esoterische Seite der Romantik, die das Verborgene ans Licht holt. Und die Zusammenhänge, die da beleuchtet werden sind meiner Meinung nach viel interessanter als andere Sujets. Zum Beispiel interessieren mich psychologische Wirkungen sehr viel weniger als die schicksalhaften Zauberwirkungen der Phantasie. Viele denken wohl mehr an die gothic stories, an den späteren Erfolg von Frankenstein, der wird auf 1818 datiert, vier Jahre später stirbt ETA Hoffmann. Ich überschlage mich, aber es ist schwer mir bei diesem Thema Einhalt zu gebieten. Das ist die Zeit des Empires. Diese Schriftsteller, die zum ersten Mal so dermaßen um sich selber kreisen (siehe oben), und ihre struppigen Haare und Kotletten hinter den hohen Kragen ihrer kurzen Fracks verstecken. Man will zum ersten Mal wieder zwielichtig und geheimnisvoll unordentlich erscheinen. Schwarz als Kleiderfarbe kommt wortwörtlich in Mode. Und die Geschäftsreise auf dem Balkan entführt in einen mysteriöses Reich der Einbildungen. Schauen Sie sich diese Menschen! Die Moderne war noch von dem Furchtbaren, dem Verrückten (vielleicht auch Wahnsinn) umgeben der unablässig durch die schöne Hecke über den Rasen schlich meistens bis zum Zimmer der zarten Tochter. Hundert Jahre später wird sich diese Gesellschaft vor sich selber ekeln. Hauptmann entdeckt den Alkoholismus und Freud hasst die Frau, die jeder hat. Aber der Spuk wird vorbei sein.
Ok das war jetzt ziemlich schnell. Zeit sich zurückzulehnen und diesen schönen dunkelroten Leineneinband aus seinem Schuber zu ziehen, ein leichter Papp-Schuber ohne Rücken. Darauf der Titel über dem Schnitt oder Stich eines Unwesens. Ich weiß gerade nicht was für ein Monster das sein soll, vielleicht ein Dämon irgendeiner Art, ein Gargoyle, schwer zu sagen, vielleicht schaue ich noch nach. Edit: Das Bild heißt „Mephistopheles fliegt übe einer Stadt“. Was für ein konkreter Titel! („Halbling hält einen Zauberring in der Hand.“) Die Stadt im Hintergrund des Bildes ist dann noch einmal fein als schwarze Kontur in den roten Leineneinband gepresst.
Ich wusste auch nichts von der Reihe in die sich dieser Band hineinstellt. Enzensbergers „Die Andere Bibliothek“ ist so alt wie ich. Ein Blick auf deren Webseite offenbart noch viele andere Schönheiten. Allein die Inhalte sind breit gefächert und nur die wenigsten Themen sagen mir zu. Seis drum. Kann ja noch werden.
Die Illustrationen setzen sich nach drinnen fort. Wie wichtig das ist, erzählt uns der ETA selber in seinem Eckfenster. Lesen Sie das nach! Hoffmann lag krank in Berlin. Halb gelähmt schreibt er von dem Sehen, dem wahren Schauen, das die Möglichkeiten ans Licht holt. Das ist wohl urromantisch. Es geht darum etwas Sichtbares anzustarren und dabei etwas Unsichtbares zu erkennen. In der Schule hat man uns dann erklärt, dass es romantische Motive gibt, wie ein altes Gemäuer im Wald. Aber nicht die Ruine ist an sich romantisch, sondern die Leute, die wir als Romantiker bezeichnen, haben solche Bilder aufgeladen mit sehr interessanten Begebenheiten. Und das ist wahr und auch wieder nicht, eben fiktiv. Kennen Sie den Effekt von Portrait-Fotos, zu denen Ihnen etwas erzählt wird. Erst starren sie in ein Gesicht oder vielleicht auf eine ganze Erscheinung und das ist offen für alles. Dann erzählt ihnen jemand eine eindrückliche außergewöhnliche Begebenheit, um diesen Menschen vielleicht sogar um dieses Bild. Und ja, Schaurigkeiten eignen sich hervorragend dazu. Und plötzlich erkennen sie die Zusammenhänge in der Gestalt und im Ausdruck, bestimmt im Blick. Man kann solcherlei erkennen. ETA war sich sicher. Diesen Syntaxfehler bezeichnen wir als romantisch, nicht zu verwechseln mit kitschig, aber dazu später mehr. Und ich habe noch fast nichts über das Buch geschrieben. Ja ich habe es noch nicht einmal wirklich gelesen. Vielleicht will ich mir in meiner Überheblichkeit nicht seine Schönheit verderben. Aber wenn ich es aufschlage (S.132) finde ich eine Abwertende Fußnote über Twilight: „Man denke nur an die unerträglich grusel-kitschigen Verfilmungen des Twilight Zyklus nach den Vampir-Romanen von Stephanie Mayer.“, bezugnehmend auf schlechte Beispiele und im Gegensatz zur Dracula Verfilmung von Coppola. Nun das ist zu leicht und wird Twilight nicht gerecht (Ja, ich tippte diesen Satz). Aber auch mal mutig, den Bogen von romantischer Literatur zu Vampirfilmen spinnen zu wollen. Das machen sonst nur die Großen. Allerdings bleibt das ein teuflisch schwieriges Unterfangen, das ich persönlich lieber lassen würde… Ich merke ja gerade wie ich es am Anfang dieses Textes eben nicht gelassen habe. Nun denn, es ist immer leicht Twilight zu kritisieren oder solche Prachtwerke wie die Nachtmeerfahrten in seinen paar unbedeutenden Blogzeilen. Also Schluss damit, dieses Buch ist ein wahrer Schatz. Der Leser hält mit ihm einen 300 Seiten starken, wirklich erhellenden Reiseführer durch die interessantesten Kapitel unserer Erzählungen in seiner Hand. Ich bin wirklich neidisch auf diese Leistung. Der Band gehört Tatsache zu den gelungensten Verbindungen von Form und Inhalt in meinem Regal, was sicherlich auch meiner Vorgeschichte für das Romantische geschuldet bleibt.
Ein letztes Detail: Im Gegensatz zum üblichen schwarzen Text des Buches sind die ausgewählten Original Passagen rot gefärbt. Das ist nicht nur praktisch (an alle Sekundärliteratur da draußen) sondern gefällt den Augen. Ich hatte überlegt, dieses System für unseren kleinen Blog zu übernehmen. Dann könnte ich zwischen den Zeilen von Maria meinen Senf dazu geben, in Rot.
Qualität | Gestaltung | Preis/Leistung | Einzigartigkeit | Danke für die Unterstützung! |